Warum Grappa kein Traubenbrand ist (und was man sonst noch über Grappa wissen sollte)

„Grappa? Na klar, das ist ein Schnaps aus Trauben… oder?“ Nicht ganz falsch, aber auch nicht ganz richtig. Ausgangsprodukt für Grappa sind zwar Weintrauben, trotzdem ist er weder ein Traubenbrand, noch ein Weinbrand. Wie kommt’s?

 

Grappa ist italienisch für Tresterbrand

Grappa wird nämlich nicht direkt aus Trauben destilliert – das wäre Traubenbrand. Er wird auch nicht durch die Destillation von Wein gewonnen – das wäre Weinbrand, Brandy oder Cognac (wenn er aus der richtigen Region Frankreichs kommt). Was zum Grappa destilliert wird, sind Trester, eigentlich ein Nebenprodukt der Weinherstellung. Grappa ist also ein Tresterbrand, der sich nur dann „Grappa“ nennen darf, wenn er in Italien hergestellt wurde.

Weintrauben an der Rebe

Was ist „Trester“?

Unter dem wenig poetischen Begriff „Trester“ werden die vergorenen Pressrückstände aus der Weinherstellung zusammengefasst – vor allem Schalen und Kerne der Weintrauben. Diese werden von den Grappa-Herstellern möglichst frisch und saftig direkt bei der Winzerei abgeholt, in großen Kesseln vergoren und dann in kupferne Brennblasen gefüllt, wo der Veredelungsprozess zum Hochprozentigen beginnt.

Welche Arten von Grappa gibt es?

Die zwei wichtigsten Unterscheidungskriterien für Grappa sind Lagerung und Zusammensetzung des Tresters. Der klassische Grappa, wie man ihn vom italienischen Restaurant kennt, ist oft ein klarer Grappa aus verschiedenen Trestersorten. Aber sowohl Farbe als auch verwendete Trester verraten uns schon vor dem ersten Schluck viel darüber, was wir uns geschmacklich von einem neuen Grappa erwarten können.

Unterschied 1: Klarer Grappa und Grappa aus dem Holzfass

Vorneweg: Die Art der Traube, egal ob Chardonnay oder Gewürztraminer, ist für die Farbe des Grappa vollkommen unerheblich, denn nach dem Brennvorgang ist das Destillat immer klar, transparent und vollkommen farblos. Unterschiedliche Farbnuancen von Bernstein zu rotbraun kommen durch die anschließende Fasslagerung zustande. Hierbei nimmt die hochprozentige Flüssigkeit Farb- und Geschmacksstoffe aus dem umgebenden Holz auf, wobei mehrere Faktoren Einfluss auf die Reifung nehmen: Lagerzeit, Art des Holzes, Alter und Größe des Fasses, etc.

Ist holzfassgelagerter Grappa „besser“ als klarer?

Jein. Die Farbe gibt uns einen ersten Hinweis darauf, dass der Grappa im Holzfass gelagert wurde. Das bedeutet nicht automatisch, dass er auch länger reifen konnte als ein klarer Grappa, denn auch klare Grappas lagern und reifen vor der Abfüllung in Flaschen – in Edelstahltanks, Glasballons oder Terrakotta-Gefäßen, wie etwa der Grappa Anfora von Marzadro.

Aber als Daumenregel kann man sich merken, dass holzfassgelagerte Grappas aufgrund der subtraktiven und additiven Reifeprozesse im Holzfass oft noch weicher, harmonischer und ausgewogener wirken als klare und natürlich je nach Art und Bearbeitung der Fässer auch nach typischen Holzfassaromen wie Vanillin, markanter Eichenholzwürze oder Karamell schmecken.

Was bedeutet „Stravecchia“, „Invecchiata“ oder „Riserva“?

Bei Grappa heißen die Begriffe eigentlich alle nur „gealtert“ bzw. „gereift“. Diese Bezeichnungen, welche auf besondere Reifedauer anspielen sollen, sind nicht präzise gesetzlich geregelt. Ein Stravecchia, Invecchiata oder Riserva war in der Regel für mindestens 6 Monate im Fass, oft für deutlich länger. Ein genauer Blick auf das Etikett sollte hier mehr verraten, denn für sich allein verraten Stravecchia, Invecchiata oder Riserva über eine gewisse Minimallagerungszeit noch nicht allzu viel über Qualität und Reifedauer eines Grappa. Lesen Sie bei uns im mySpirits-Grappa-Shop mehr über die verschiedenen Bezeichnungen holzfassgelagerter Grappas.

 

Unterschied 2: Cuvée oder sortenreiner Grappa

Der zweite wichtige Unterschied im Grappa-Feld ist jener zwischen Cuvées und sortenreinem Grappa. Sortenreine Destillate kommen aus dem Trester nur einer bestimmten Trauben- bzw. Rebsorte und sind dann nach dieser benannt wie etwa Grappa Merlot sein oder Grappa di Moscato (Muskateller). Fruchtgeschmack und Charakter der namensgebenden Sorte soll hier möglichst rein und unverfälscht in der intensiven hochprozentigen Form quasi konzentriert werden. Oft erkennt man diese gerade auch für Weinkenner sehr interessanten Grappas an Bezeichnungen wie Grappa Monovitigno, Grappa di Singolo Vitigno oder schlicht dem Namen der jeweiligen Traube.

Übrigens: Im mySpirits Grappa-Shop können Sie bequem nach Rebsorte filtern, wenn Sie einen bestimmten Grappa Monovitigno suchen.

Hier finden Sie schnell und einfach die sortenreinen Grappas der interessantesten Rebsorten:

Demgegenüber stehen die Cuvées, die beim Grappa zwar selten so genannt werden, aber wie bei entsprechenden Weinen aus einer Kombination unterschiedlicher Trauben- (bzw. Trester-)Sorten entstehen. Cuvées haben bei Grappa einen höheren Marktanteil, was wohl auch damit zu tun hat, dass sie eine typische Grappa-Stärke bespielen: die Vielfalt.

Ebenso, wie sich die Brennmeister vieler italienischer Destillerien als Virtuosen der Holzfasslagerung hervortun und verschiedene Fasstypen für einen Grappa kombinieren, erlaubt die Vielfalt unterschiedlicher Trester das volle Ausschöpfen eines schier unendlichen Reservoirs an Aromen und Geschmacksnuancen. Die Würze des Traminers mit der Süße eines Amarone und dazu die Leichtigkeit von Chardonnay – solche Kombinationen sind möglich und an der Tagesordnung, noch bevor das Spiel der Holzfasskombination beginnt.

Bereits ein vergleichsweise günstiger Einsteigergrappa wie der Diciotto Lune von Marzadro vereint Trester von Merlot, Marzemino, Chardonnay, Teroldego und Muskat – und anschließend eine ähnlich lange Reihe verschiedener Holzfasssorten – zu einer harmonischen Gesamtkomposition.

Was ist besser: sortenrein oder Cuvée?

Nicht besser, sondern anders. Preislich gibt es hier keine großen Unterschiede – beide Kategorien gibt es in günstig und exorbitant zugleich. Sortenrein kann „spezieller“ sein, die Geschmacksnerven insofern mehr herausfordern, da Konzentration und Präzision gefragt sind. Ich kann mich beim Verkosten voll auf die Nuancen einer Traube fokussieren, während bei Cuvées mehr das Gesamterlebnis im Vordergrund steht. Vielleicht ist es ein wenig wie bei einem Symphonie-Orchester, wo die Vielzahl der Instrumente eine gemeinsame Harmonie schafft, die wiederum ein Qualitätsmerkmal für sich und Alleinstellungsmerkmal einer regional verwurzelten Brennerei sein kann. Aber ist das Orchester deshalb „besser“ als der Weltklasse-Solist?

Was früher noch unabsichtlich geschah – man schüttete einfach alle Trester einer Winzerei zusammen und brannte daraus Grappa – ist heute eine Kunst für sich. Jede Brennerei hat ihre eigene Varianz typischer Rebsorten aus einzigartigen Lagen, die sie entweder als Trester bereits mischt und zum charakteristischen Haus-Grappa brennt – oder wie einen „Blend“ die Cuvée aus verschiedenen sortenreinen Destillaten geschmacklich vereint für besonders harmonisch dirigierte Grappa-Symphonien.

Wie trinkt man Grappa stilgerecht?

Ganz einfach: pur aus einem Grappakelch bei niedriger Zimmertemperatur. Warum einen Grappakelch und nicht irgendein x-beliebiges Glas? In erster Linie darum, weil Form und Größe des Glases zur Spirituose passen müssen. Grappa ist eine sehr fruchtige, vielschichtige Spirituose und wir nehmen einen Großteil ihres Aromenreichtums bereits über die Nase wahr, bevor wir den ersten Schluck machen. Darum ist es wichtig, ein unten bauchiges und nach oben hin verjüngtes Glas zu benutzen, welches den Duft nach oben hin bündelt. Ist das Glas zu voluminös, entschwinden uns die subtileren Nuancen und wir bekommen vor allem Alkoholdämpfe in die Nase. In einem weiteren Blogbeitrag haben wir ausführlicher beschrieben, welches Glas für Grappa am besten ist und warum.

Für den Genuss durchaus relevant: Sie sind auch einfach schön, die Grappakelche von Marzadro (links), Villa de Varda (Mitte) und mein persönlicher Stil-Favorit, der Grappakelch von Poli (rechts).

Die optimale Temperatur für Grappa

Über die Frage der richtigen Temperatur beim Spirituosengenuss wurde schon viel geschrieben. Natürlich ist das zuerst eine Frage des individuellen Geschmacks. Wem sein Grappa nur aus dem Eisfach schmeckt, der soll das ruhig weiterhin so halten. Generell jedoch rät man dazu, gerade auch die holzfassgelagerten Grappa-Spezialitäten bei Zimmertemperatur (oder nur leicht darunter) zu genießen, um eine ideale Balance zwischen Frische und Aromenreichtum zu erreichen.

Je kühler, desto weniger Alkohol riechen wir und desto frisch-fruchtiger wirkt der Grappa. Gleichzeitig jedoch riechen wir unter 15° C immer weniger und verpassen so möglicherweise gerade die spannendsten Nuancen eines hochwertigen Grappa. Als Daumenregel daher: klare Grappas ungefähr im Bereich von 14° bis 16°C, braune Grappas eher gegen 16° bis 20°C trinken, je nach persönlicher Vorliebe, spezifischem Charakter des Grappas und der Außentemperatur.

Grappa pur oder gemischt?

Ob man Grappa auch mixen darf oder nur pur trinken, werde ich häufig gefragt. Meine Empfehlung: Lernen Sie ihren neuen Grappa zuerst pur kennen. Nehmen Sie sich Zeit, schnuppern Sie sich an den Brand heran, lassen Sie die Flüssigkeit für einige Zeit auf Zunge und Gaumen Eindruck machen und trinken Sie dann in kleinen Schlückchen. Wenn Sie sich mit dem Charakter des Grappa vertraut gemacht haben, können Sie damit beginnen, ein wenig zu spielen. Womit verträgt sich dieser bestimmte Geschmackston besonders gut, was will ich stärken, was ergänzen, was überdecken? Die Welt der Grappa-Cocktailsist erstaunlich groß. Verantwortlich dafür ist nicht zuletzt die gewaltige Geschmacksvielfalt, welche von Grappa bespielt werden kann und zunehmend von den Mixologen entdeckt wird. Es wäre schade, all diese Variationen links liegen zu lassen, „weil man guten Grappa nicht mischt“. Probieren Sie es aus!

Tolle Grappas entdecken bei mySpirits.eu

  • Cuvée aus dreierlei Trestern: Teroldego, Pinot Blanc und Müller Thurgau
  • wird über mindestens 36 Monate im Barrique-Fass gereift
  • In der Nase intensiver Duft nach frischem Brot, Orangenschalen, Feldblumen und Holunder
  • Am Gaumen gehaltvollere Aromen von Walnüssen, Mandeln, Vanille und Kakao.

Villa de Varda Triè Grappa Riserva Incecchiata ist ein wunderbarer Grappa zum Einsteigerpreis, die gerbstofflastigen Barrique-Noten sind eine markante Besonderheit.


Eineinhalb Liter fasst dieses Prachtstück von Marcati – und das zu einem phänomenal niedrigen Preis. Das Beste an der Sache: Der Inhalt der Magnumflasche Marcati Grappa Riserva 'Il Bacio delle Muse' weiß durchaus zu überzeugen, man hat hier glücklicherweise keinen Fusel abgefüllt. Die Destillerie Marcati aus Verona gehört zu den Preis-Leistungs-Tipps im Grappa-Sortiment und glänzt mit ausgezeichneten Cuvées und sortenreinen Bränden.


Die unverwechselbar bauchigen Flaschen mit den filigranen Hälsen sind nicht das einzige, was an der Traditionsbrennerei Poli aus Venezien besonders ist. Der sortenreine Poli Cleopatra aus der Muskat-Traube riecht und schmeckt beeindruckend würzig und intensiv. Außerdem spannend: Von Poli kommt auch einer der markantesten Gins aus Italien, der Marconi 46.


Nardini nimmt stolz für sich in Anspruch, die älteste Grappa-Destillerie Italiens zu sein. Das Traditionsunternehmen aus Venetien hat mit seinem Nardini Grappa Riserva 50° eine Spezialität in petto, deren Alkoholgehalt zwischen Fass- und normalen Trinkstärken liegt. Aus Trestern aus dem Friaul und Venetien gebrannt und für mindestens drei Jahre in slawonischen Eichenfässern gelagert, präsentiert sich Riserva 50° als ausgewogener und harmonischer Grappa, dessen Geschmack durch die 50 Volumenprozent besonders gut zur Geltung kommt.


Auffällig. Dürfte man nur ein Attribut verwenden, um Nonino zu charakterisieren, es wäre dieses. Die Brennerei aus dem Friaul ist alles, nur nicht normal. So auch der Vorzeigegrappa in der Schmuckflasche: Grappa Nonino Riserva 8 Jahre wird achtjährig in verschiedenen Fässern gereift, hat dadurch wundervolle Barrique-Noten und ein feines Sherry-Finish. Der Geschmack elegant, samtig-fruchtig, dabei würzig mit einem Hauch von Schokolade. Weltklasse!


Als einziger klarer Grappa in unserer kleinen Vorstellrunde zeigt Rossi d'Angera Grappa Giovane, dass es nicht immer Bernstein sein muss. Der frische Piemonteser wurde aus Nebbiolo- und Chardonnay-Trestern gebrannt und überzeugt vom ersten Schluck an mit dem intensiven Geschmack reifer Waldbeeren. Nicht ganz so komplex wie so mancher Holzfassgelagerte, aber klar, frisch und vollmundig. Geht doch!


 

Salute und viel Spaß beim Entdecken!