Wie wird aus Obst Schnaps?

Wie wird eigentlich aus Obst Schnaps gemacht? Wir folgen unserem lokalen Obstreichtum auf einer Reise vom Feld über Maische, Brennblase und Fass bis in die Flasche und finden heraus, was es mit Brand und Geist auf sich hat – und warum bei der Destillation die Himbeere mit der Haselnuss mehr gemein hat als mit der Erdbeere.

 

Obst ist die perfekte Basis für eine ganze Welt der Spirituosen

Schon beeindruckend, was man alles aus Obst machen kann. Frisch genießen, klar, am Stück, im Joghurt, zum Müsli. Zu Marmelade verarbeiten und für die kalte Jahreszeit den Extravorrat an Vitaminen einlagern, natürlich. Zu Saft pressen und pur oder mit Mineralwasser als Schorle trinken. Und, jetzt wird es erst so richtig spannend, Obst lässt sich hervorragend zu Alkohol verarbeiten, es ist in vielerlei Hinsicht die ideale Basis für Spirituosen. Die Geschmacks- und Aromenvielfalt von Birne, Marille oder Zwetschke sorgen dafür, dass kein Obstbrand wie der andere schmeckt. Wenn schon im Ausgangsmaterial so viele Variationen stecken, sind einem guten Brennmeister beim Kreieren geschmacksechter Edelbrände und fruchtiger Liköre kaum Grenzen gesetzt.

Es ist darum kein Zufall, dass die Bandbreite von Spirituosen aus Obst so beeindruckend und auf den ersten Blick oft verwirrend daherkommt. Allein schon bei den vielen milden Fruchtspirituosen, deren Alkoholgehalt üblicherweise zwischen Wein und Schnaps angesiedelt ist, gibt es viel Auswahl: Fruchtlikör, Creams, Limes, etc. Wenn dann noch die verschiedenen Schnäpse, Brände und Geiste mit 30% Vol. aufwärts dazukommen, hat man es mit einer ganzen Welt an Spirituosen zu tun, die alle aus unserem guten alten Obst hergestellt werden.

 

Wie entsteht hochwertiger Obstschnaps?

Widmen wir uns beispielhaft der Williams-Christ-Birne und folgen ihr auf dem Weg vom Baum in die Flasche. Traditionelle Brennereien rund um den Bodensee, wie Prinz im österreichischen Hörbranz oder Steinhauser in Kressbronn, beziehen ihr Obst wo immer möglich von regionalen Herstellern und legen größten Wert auf Qualität und Frische ihrer Ausgangsware. Klar ist: ohne gutes Obst kein guter Schnaps.

 

Vom Obst zum Alkohol: Einmaischen

Die vollreifen Birnen werden – so läuft es übrigens auch bei Marillen oder Zwetschgen – „eingemaischt". Das heißt, das Obst kommt in Tanks, wo es bei streng kontrollierten Temperaturen und unter Zugabe von Hefekulturen zu gären beginnt. Konkret wandelt die Hefe den im Obst reichlich vorhandenen Fruchtzucker in Alkohol um. Ist ein Alkoholgehalt von etwa 5-6 % erreicht, ist der Maischprozess abgeschlossen und es geht an's Eingemachte.

Es wird heiß: Die Maische wird destilliert

Der Brenn- oder Destillationsvorgang beginnt: Die Maische wird in Brandblasen (üblicherweise aus Kupfer) gefüllt und chargenweise „abdestilliert". Dabei wird die Maische schonend erhitzt, wobei dem Brennmeister zugutekommt, dass Alkohol einen niedrigeren Siedepunkt hat als Wasser. Der in der Maische vorhandene Alkohol steigt als Dampf auf, wird abgeleitet und dann gekühlt, wobei er kondensiert. Das nunmehr flüssige, vom Rest der Maische getrennte Destillat besteht jedoch nicht zu 100% aus Alkohol – damit wären ja alle wertvollen Geschmacksnoten verschwunden und man hätte aus dem hochwertigen Obst anstelle eines sortentypischen Destillats bloß geschmacksneutralen Alkohol gewonnen. Deshalb achten erfahrene Brennmeister sehr genau darauf, wie hoch der Alkoholgehalt ihres Destillats ist (idealerweise nicht über 75-80%), um so viel wie möglich vom typischen Geschmack des Obstes nach dem Brennvorgang zu erhalten.

Was hier hinter den massiven Bullaugen des Kühlturms herabrieselt, ist hochprozentiger Alkohol direkt nach der Kondensation.

 

Die Ausnahme: über Mazeration zum Geist

Was aber, wenn der Fruchtzuckeranteil des verwendeten Obstes nicht hoch genug ist, um zu vergären? Das ist zum Beispiel der Fall bei der eingangs erwähnten Himbeere und auch bei der Haselnuss – zwei populäre Schnäpse, aber beide können nicht über den soeben beschriebenen Weg aus der vergärten Maische destilliert werden. Hier kommt ein Prozess namens „Mazeration" zum Einsatz: Die Rohprodukte werden in neutralen Alkohol eingelegt und geben über mehrere Tage hinweg ihr reichhaltiges Aroma ab. Alkohol hat nämlich die nützliche Eigenschaft, ein hervorragendes Lösungsmittel zu sein und somit den Geschmack der zuckerarmen, aber aromareichen Haselnuss, Himbeere oder Zirbe extrahieren und aufnehmen zu können. Die resultierende Mischung wird anschließend destilliert und das Ergebnis ist dann, im Unterschied zum oben beschriebenen Brand, der sogenannte Geist.

 

Das „Herzstück" des Destillats ist der Mittellauf

Ganz gleich ob Brand oder Geist, das resultierende Destillat ist frisch aus Brennblase und Kühlturm noch lange nicht genussfertig. Was in flüssiger Form unten herauskommt, unterteilt sich nämlich in Vor- Mittel- und Nachlauf. Der Vorlauf besteht aus Methanol und anderen unerwünschten Nebenprodukten der Alkoholproduktion und ist ungenießbar, der Nachlauf ist zwar ungiftig, aber voller Fuselöle. Die große Kunst des Brennens besteht also darin, mit Nase, Zunge, Gaumen und viel Erfahrung zu erkennen, wo der Mittellauf, das „Herzstück" des Destillats beginnt und wo er endet.

Nur der Mittellauf wird zu hochwertigem Schnaps weiterverarbeitet. Wenn das Destillat nach einem kompletten Brenndurchlauf noch ein zweites Mal destilliert wird, spricht man übrigens von Feinbrand.

 

Jetzt noch etwas Geduld: Lagerung und Ruhezeit

Guter Schnaps muss lagern. Wie lange, das entscheidet sich nach einer ganzen Reihe von Kriterien – unter anderem der verwendeten Obstsorte, dem verwendeten Behältnis und der jeweiligen Produktphilosophie der Brennerei. Zwischen wenigen Monaten und vielen Jahren lagert das Destillat in Edelstahl- oder Holzfässern, in Behältnissen aus Steingut oder in Glasballons.

Durch die Lagerung im Holzfass erhält das Destillat zusätzlich Farbe und nimmt Aromen aus dem Holz auf. Welche Aromen das sind, hängt natürlich von der verwendeten Holzart ab – Eiche schmeckt anders als Kirsche, ein neues Fass frisch vom Küfer sorgt für andere Aromanoten als ein altes Sherryfass. Neben Lagerzeit und Holzart spielt auch die Größe des Fasses eine Rolle, denn je mehr Oberfläche auf den Liter kommt, desto mehr Geschmack kann aus dem Holz gezogen werden. Ein kleines Fass sorgt also für kräftigere Farben und dominantere Holznoten im Schnaps. 

Zu diesem Zeitpunkt liegt der Alkoholgehalt der gelagerten Spirituosen übrigens meist noch bei über 60% - die sogenannte "Fassstärke". Für die meisten Schnäpse wird der Alkoholgehalt mit reinem Osmosewasser auf einen Bereich meist zwischen 34% und 44% herabgesetzt - die sogenannte "Trinkstärke".

Und dann… genießen!

Erst wenn der Schnaps genug Zeit zum Ruhen gehabt hat, ist er bereit für den Genuss. Jede Spirituose ist hier anders, jedes Obst stellt andere Ansprüche an den Brennmeister. Am Ende zählt das Ergebnis: In der Nase, am Gaumen und auf der Zunge. Wohl bekomm's!

 

Unsere Tipps zum „Einschmecken" in die wunderbare Welt der Obstschnäpse: