Der beste Grappa der Welt? Zu Besuch bei Marzadro im Trentino

Wir haben die Distilleria Marzadro im Trentino besucht. Malerisch eingebettet in die Weinberge der Region wird hier, keine Viertelstunde vom Ufer des Gardasees entfernt, Grappa gebrannt, der zu den besten der Welt gehört. Warum Marzadro ein besonderes Beispiel italienischer Destillationskunst ist, wie Grappa im Trentino gebrannt wird und warum die Holzfasslagerung hier einen ganz besonderen Stellenwert hat? Lesen Sie weiter!

Grappa verkosten wir am liebsten direkt beim Hersteller

Wer zu Marzadro in die Distilleria kommt, der kommt um zu genießen. Das weiß die Familie Marzadro, die das Unternehmen seit 1949 gemeinschaftlich führt und deren Mitglieder aktiv im Tagesgeschäft mitarbeiten. Darum ist der neue Firmensitz in der Nähe des Gardasees zur Hälfte Produktionsstätte und zur Hälfte offene Ausstellung.

Hier sind immer Grappafreunde aus aller Welt anzutreffen, Gruppen aus Italien, aus Deutschland, aus Österreich und der Schweiz und von noch viel weiter her besichtigen die Brennkessel, lassen sich die Holzfasslagerung erklären und verkosten tief unter der Erde spezielle Tropfen. Marzadro, das ist nicht nur Genuss, sondern auch Transparenz und ein Maximum an Offenheit gegenüber allen Grappa-Begeisterten. Die moderne Brennerei liegt im Zentrum des Gebäudes. Der runde Raum ist komplett verglast, die Brennblasen und Kühltürme laufen in der Hochsaison durchgehend und können von uns aus der Nähe begutachtet werden.

In Brennblasen aus Kupfer werden die frischen Trester schonend erhitzt. Alkoholdämpfe und leicht lösliche Aromastoffe lösen sich aus der Masse und steigen in langen Röhren nach oben, wo sie in Kühltürme abgeleitet werden. Dort kondensiert der Alkoholdampf zum flüssigen Rohdestillat, dem Ausgangsmaterial für die anschließende Veredelung zum Grappa (mehr zum Thema Schnapsbrennen finden Sie übrigens hier).

Bei Marzadro dreht sich seit 1949 alles um Grappa

Überhaupt, Grappa. Bei Marzadro dreht sich alles um den typisch italienischen Tresterbrand, der heute international Furore macht. Das war nicht immer so. Früher hatte der Brand aus dem Nebenprodukt der Weinherstellung einen eher durchwachsenen Ruf. Grappa, das war „Arme-Leute-Schnaps", den man in Deutschland nach einem Essen beim Italiener anstelle von Espresso kippte, aber ansonsten eher ignorierte. Hier hat sich in den letzten Jahrzehnten viel verändert und daran war Marzadro unmittelbar beteiligt. Die Geschichte des Familienunternehmens ist dabei keineswegs alltäglich – nicht zuletzt, weil Marzadro von einer Frau gegründet wurde.

Sabina will Grappa brennen

Sabina Marzadro war eigentlich keine große Karriere in die Wiege gelegt worden. Als Dienstmädchen kannte sie die feineren Dinge des Lebens nur aus der Distanz. Aber sie hatte einen Traum, den sie mit unermüdlicher Energie verfolgte: Sabina wollte das Destillierhandwerk erlernen. Aus den Trestern ihrer Heimatregion Trentino sollte der beste Grappa Italiens entstehen.

Wir hatten bei unserem Besuch die Gelegenheit, das Gebäude der alten Distilleria Marzadro zu besichtigen. Es liegt nur wenige Minuten mit dem Auto vom heutigen Firmensitz entfernt, etwas abgelegener in den Weinbergen, aber liebevoll erhalten und mit Stolz präsentiert. Hier hatte Sabina Marzadro in der Nachkriegszeit damit begonnen, Grappa zu brennen. Hier fuhren 1949 die ersten Fuhrwerke voller Trester durch das Portal, um die noch kleine Brennerei mit frischen Rohstoffen zu beliefern.

Dass eine Frau ein Unternehmen leitet, noch dazu in einer „Männerbranche" wie dem Brennereihandwerk, war damals keineswegs selbstverständlich und Sabina hatte mit großen Widerständen zu kämpfen. Unterstützend zur Seite stand ihr dabei von Anfang an ihr Bruder Attilio. Gemeinsam machten Sie aus dem Traum ein erfolgreiches Unternehmen. Einfach war das nie.

Franco Olivetti erzählt vor dem Gebäude der alten Distilleria Marzadro von der bewegten Geschichte des Unternehmens.

Das Holz des ursprünglichen Tors befindet sich heute im Gebäude der neuen Brennerei.

Hier werden einige der interessantesten Fässer gelagert, wie uns Verkaufsdirektor Luca Fincato stolz zeigt. 

 

Luca war übrigens so freundlich, uns bei der Gelegenheit auch gleich ein Exklusiv-Interview zu geben und alle unsere Fragen zu Marzadro und Grappa zu beantworten.

 

Grappa muss sich beweisen: eine Aufholjagd gegenüber Cognac & Co.

Grappa war immer schon der „Arme-Leute-Schnaps" Italiens. Um Qualität und Image von Grappa aufzupolieren, musste viel investiert werden. In moderne Brennblasen, in Lagerstätten, vor allem aber in möglichst frische Trester. Denn früher war es üblich gewesen, dass die Grappa-Brenner das Nebenprodukt der Weinproduktion bekamen, wenn es längst getrocknet war. Priorität hatte für die Weinbauern ihr eigenes Produkt und die Trester wurden an die Destillerien geliefert, wenn sonst nichts mehr zu tun war.

Deshalb begann man bei Marzadro schon früh, mit einem eigenen Fuhrpark die noch saftig-frischen Trester direkt nach dem Pressen bei den Produzenten abzuholen. Den Unterschied schmeckt und riecht man sofort, wenn man hochwertigen Grappa probiert. Damals war das nicht selbstverständlich und es benötigte viel Überzeugungsarbeit, um den aufwändiger produzierten und gelagerten Tresterbrand als qualitativ herausragende Spirituose neu zu etablieren.

 

Franco Olivetti erklärt, wie bei Marzadro über die Jahrzehnte der Grappa zur Spirituose der Extraklasse entwickelt wurde.

Zur Geschichte von Marzadro ließe sich noch viel mehr sagen; wir haben hier die wichtigsten Stationen zusammengetragen). An dieser Stelle muss es reichen festzuhalten, dass Grappa sich auch dank Marzadro von einem simplen Schnaps zur hochwertigen Spirituose für den gehobenen Markt entwickelt hat.

Ein guter Grappa entsteht nicht von ungefähr

Der Erfolg von Marzadro ist jedenfalls kein Zufall. Wir konnten uns vor Ort von der ganzen Bandbreite an Grappe (so die ital. Mehrzahl von Grappa) überzeugen und besondere Tropfen selbst verkosten. Wie selbstverständlich stößt Andrea Marzadro, im Familienunternehmen seit langen Jahren als Brennmeister für den Geschmack des Produktes verantwortlich, zu uns und öffnet die Türen zu den unterirdischen Lagerstätten. 

Jetzt geht es an's Eingemachte: Wir dürfen Grappa direkt aus dem Fass verkosten.

Unter der fachmännischen Anleitung von Andrea erschmecken wir die Unterschiede bei den verschiedenen Rebsorten und Lagerungsweisen und fachsimpeln über Aromen und Produktchemie.

Überraschend für uns ist, wie viel Geschmack trotz der doch recht beeindruckenden Fassstärke (wir bewegen uns immerhin im Bereich von 65-75% Vol.) gegenüber dem Alkohol zur Geltung kommt.

 Der Grappa schmeckt sogar im hochprozentigen Bereich noch fruchtig, die Traube bleibt beim sortenreinen Brand deutlich erkennbar.

Fasslagerung ist eine Wissenschaft für sich

Eine Daumenregel: Je größer das Fass, desto heller wird die Farbe, desto weniger Aromen nimmt das Destillat aus dem Holz auf. Umgekehrt sorgen kleine Fässer für intensivere Holznoten und satte Farbtöne. Dazu kommen noch Faktoren wie die Art des Holzes selbst, das Alter des Fasses („neu" schmeckt intensiver), ob die Innenseite des Fasses speziell präpariert wurde und, natürlich, die Lagerzeit. Beim Gang durch die Lagerräume mit ihren unzähligen unterschiedlichen Fassgrößen und –typen wird klar, wie vielfältig die Möglichkeiten für den Brennmeister sind. Und wie groß die Bandbreite an Geschmäckern, Aromen und feinen Nuancen, die im Zusammenspiel von Destillat und Lagerung entstehen können.

Hier lagern sie hinter Gittern in Fässern unterschiedlichster Größe und aus verschiedenen Holzarten, die Grappe aus dem Hause Marzadro.

Sortenreine Brände aus einer einzelnen Rebsorte – beispielsweise Chardonnay oder Gewürztraminer – ebenso wie Cuvées aus unterschiedlichen Trauben, wie der bekannte Diciotto Lune.

In welchem Fass das Destillat lagert ist dabei von großer Bedeutung für Geschmack, Geruch und auch Farbe des fertigen Grappa.

Die Kunst des Brennmeisters, erklärt uns Andrea, liegt nicht zuletzt darin, aus all diesen Einzelkomponenten ein harmonisches Produkt zu kreieren. Dabei muss jeder Aspekt perfekt sein: Der Trester muss qualitativ hochwertig sein und frisch und aromatisch in der Brennerei ankommen; der Brennvorgang muss schonend ablaufen, um den fruchtigen Geschmack der Trauben zu bewahren; die einzelnen Destillate müssen bei Cuvées fachkundig kombiniert werden, um einen runden Grappa zu bekommen; und die Lagerung, oft in vielen verschiedenen Holzarten, erfordert nicht nur großes Fachwissen und langjährige Erfahrung, sondern vor allem auch viel, viel Geduld. Bei Marzadro wird übrigens nicht nur im Holzfass gelagert, sondern auch in Edelstahltanks und seit einiger Zeit auch in Amphoren aus Terrakotta.

Marzadro heute: Grappa mit Leidenschaft und Begeisterung

Was mit Sabina und Attilio begann, ist bei Marzadro auch heute noch normal: die Begeisterung für den Grappa, die Leidenschaft für kompromisslose Qualität - und die Beteiligung der ganzen Familie an der Arbeit. Das fällt auch uns beim Besuch der Produktionsstätte auf - Mitglieder der Familie arbeiten im Unternehmen und wirken aktiv am Tagesgeschäft mit. Andrea Marzadro ist als Brennmeister für das Produkt selbst verantwortlich, auf sein Konto gehen Neukreationen wie der Diciotto Lune. Sein Sohn, der in dritter Generation das Brennereihandwerk von der Pieke auf lernt, lief uns bei der Begehung des Lagerkellers über den Weg und beantwortete uns spontan einige Fragen zur Grappa-Herstellung. Stefano Marzadro, der Bruder von Andrea, ist als Geschäftsführer eingespannt und die Schwester der beiden kümmert sich um das Marketing. Es ist eine auch für Unternehmerfamilien heute nicht mehr selbstverständliche Identifikation mit dem eigenen Produkt, mit Grappa, die hier besonders auffällt. Von dieser Leidenschaft kann das Endprodukt nur profitieren. Und damit natürlich auch wir, die Grappa-Neulinge ebenso wie die langjährigen Kenner.

Marzadro Diciotto Lune Grappa Stravecchia

Perfekt zum Kennenlernen und "Reinschmecken" in die Welt des Grappa: Der Diciotto Lune

Der Diciotto Lune ist der wohl bekannteste Grappa von Marzadro, er gilt als das Flaggschiff des trentinischen Traditionshauses. Pikanterweise beginnt die Geschichte dieses Grappa mit einem niederschmetternden Urteil: "Ihr Italiener macht wirklich Top-Weine, aber ihr macht die schlechtesten Spirituosen der Welt". Diesen Satz soll ein Kunde auf einer Weinmesse in den 90er Jahren zu Stefano Marzadro gesagt haben. Stefano und Andrea ließ dieses Urteil nicht kalt. Wie konnte es sein, so erzählt Stefano noch heute, dass die Italiener aus ihren Trauben keine starke Alternative zum französischen Cognac oder zum schottischen Whisky zu produzieren verstanden? Die Antwort wurde 2002 vorgestellt und ist ein Beispiel für die Innovations- und Risikofreudigkeit bei Marzadro: Der Diciotto Lune.

Ein Grappa aus fünf Traubensorten (Marzemino, Teroldego, Merlot, Muskat und Chardonnay), von Andrea Marzadro persönlich kombiniert und abgestimmt. Das Destillat lagert für achtzehn volle Monate (daher der Name: "Achtzehn Monde") in Fässern aus Kirsche, Esche, Eiche, Akazie und Robinie. Fünf Rebsorten, fünf Bäume und achtzehn Monate Zeit - das sind die Zutaten für diesen herrlich runden Grappa, bestens geeignet zum Eintauchen in eine neue Spirituosenwelt.

 

Der beste Grappa der Welt? Machen Sie sich selbst ein Bild mit diesen ausgewählten Empfehlungen von Marzadro:

  1. Marzadro Grappa Anfora – Grappa aus Terrakottabehältern / 43 % Vol. / 0,7 Liter-Flasche
    Marzadro Grappa Anfora 43 % vol. / 0,7 Liter
    Bewertung:
    95%
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    (42,71 € / 1 L)
    Lebensmittel-Info

Erleben Sie - so wie wir - eine angenehme Überraschung nach der anderen und entdecken Sie eine ganz neue Welt des Genusses südlich der Alpen mit fruchtigem Grappa aus dem Trentino.

Salute!
Dominique Marze

 

 

In eigener Sache: Wo der Genuss herkommt, da gehen wir hin

"Hallo, liebe Freunde des kultivierten Trinkgenusses..." Wir wollen wissen, wovon wir reden. Wenn wir neue Produkte in unser Sortiment aufnehmen, probieren wir selbst. Wo immer möglich vor Ort, direkt beim Produzenten: Das Team von mySpirits geht für Sie dort hin, wo der hochprozentige Genuss herkommt. Wir lassen uns alles ganz genau zeigen, wir stellen Fragen, wir verkosten und wir lernen überall Neues. Damit wir wissen, wovon wir reden, wenn wir über Spirituosen schreiben.

Wir haben uns für Sie bei Marzadro umgesehen, zugehört, selbst probiert und die Vielfalt von Grappa vor Ort kennengelernt. Ben (li.) und Dominique (re.) vom mySpirits.eu-Team bei Marzadro im wunderschönen Trentino.