Altbewährt und weit verbreitet: Schnaps als Hausmittel

Alkohol hat sehr viele interessante Eigenschaften, aber an der Frage, ob und wenn ja welchen Nutzen Alkohol haben kann, scheiden sich die Geister. Fakt ist, dass Alkohol schon im Mittelalter zu einigen Einsatzzwecken verwendet wurde. Wundärzte nutzten die betäubende Wirkung hochprozentiger Destillate aus, um Schmerzen zu lindern oder ihre Patienten vor chirurgischen Eingriffen ruhigzustellen. Gewürzter Wein und gewürztes Bier, das über dem Feuer erhitzt wurde, galt mancherorts als Hausrezept gegen Erkältungen und wärmte nach der Arbeit in Wind und Wetter die Glieder wieder auf.

Heute rein zu Genusszwecken hergestellte Getränke wie Wermut (Vermouth), aber auch moderne Cocktails entstanden aus diesen Traditionen. Obgleich die Medizin und Wissenschaften in den letzten Jahrzehnten und Jahrhunderten große Fortschritte gemacht hat und der Konsum alkoholischer Getränke dabei vor allem als gesundheitsschädlich erkannt wurde, glauben noch immer viele Männer und Frauen an überlieferte Hausrezepte. Selbst bei der Verwendung von Heilkräutern wie in alten Klosterlikören oder Melissengeist überwiegen die Schäden des Alkohols jeglichen medizinischen Nutzen, doch auch jenseits falscher Heilsversprechen sind bis heute viele Anwendungsmöglichkeiten für Alkohol im Haushalt bekannt.

Altes Hausmittel bei Erkältungen und Halsschmerzen

Besonders häufig kommen alkoholische Getränke bei einer Erkältung zum Einsatz. Doch auch wenn manche Beschwerden schwächer erscheinen mögen, verbessert sich bei einer Erkältung durch Alkoholkonsum nichts. Wissenschaftlich bestätigt ist, dass warme Getränke Halsschmerzen abschwächen und Schleim in Lunge und Nase lösen können. Als altes Hausmittel bei Erkältungen gilt neben normalen Erkältungsgetränken wie Kamillen- oder Salbeitee etwa warmes Bier mit Honig. Auch heißem Grog oder heißem Schnaps – mit Gewürzen wie Pfeffer vermischt und direkt vor dem Schlafengehen getrunken – eilt der zweifelhafte Ruf als Hausmittel bei Erkältungen voraus. Der eher in England verbreitete Hot Toddy fungiert in manchem Irrglauben als eine mit Alkohol „verbesserte“ heiße Zitrone.

Warme Zitrone mit Honig statt Hot Toddy

Von dieser Art der Erkältungsbekämpfung wird von seriösen Medizinern jedoch abgeraten, denn der Alkoholkonsum belastet das bereits durch die Krankheit angegriffene Immunsystem zusätzlich und die Beschwerden verschlimmern sich tendenziell eher noch oder die Heilung wird verzögert. Besser ist ein Tee oder die so genannte heiße Zitrone – ohne Alkohol! Eine frisch ausgepresste Zitrone sollte mit Honig und warmem Wasser, aber ohne Alkohol, verrührt und getrunken werden. Um die positiven Effekte der Vitamine aus der Zitrone und die antibiotische Wirkung des Honigs nicht abzuschwächen – und damit man sich nicht die Zunge verbrennt – ist warmes Wasser angeraten, sodass die Bezeichnung als „heiße“ Zitrone leicht irreführend ist.

Heißer Grog
Heißer Grog wurde einst auf Schiffen erfunden, indem die Ration Zitrusfrüchte mit dem Tot (der Alkoholration) eingenommen wurde.

Alkohol als Desinfektionsmittel – bei Halsschmerzen nicht geeignet

Ein anderer klarer Fail sind hochprozentige Spirituosen als Mundspülung bei Halsschmerzen. Weil Alkohol auf Flächen desinfizierend wirkt, glauben viele an eine Abtötung der Keime auch im Rachenbereich. Deshalb gurgeln manche Kranke mit klaren Spirituosen wie Schnaps oder Wodka, die vorher manchmal extra erhitzt und anschließend wieder ausgespuckt werden. Eine alte Hausfrauen-Weisheit besagt außerdem, dass langsam getrunkener heißer Schnaps mit Zucker die Halsschmerzen verschwinden lassen soll. Von Beidem sei hiermit abgeraten, da beim Trinken wieder die oben genannte nachteilige Wirkung des Alkohols im Krankheitsfall voll durchschlägt. Und auch beim Gurgeln helfen eigens dazu hergestellte (oft auch alkoholfreie) Mundspülungen besser als der eigentlich zum Genuss bestimmte Alkohol.

Um die anitbakterielle Wirkung des Alkohols wirksam einzusetzen müsste eine Mundspülung übrigens mindestens 40 % vol. Alkohol enthalten, was bei Schnaps in der Regel der Fall ist. Zur Lösung der Inhaltsstoffe eines medizinischen Mundwassers ist Alkohol nicht notwendig und daher kann man auch auf alkoholfreie Mundspüllösungen zurückgreifen. Zwar wurde auch bei Alkohol eine Reduzierung der Virenlast im Mund nachgewiesen, allerdings trägt dies allenfalls zur Verminderung eines Ansteckungsrisikos bei, nicht aber zur Linderung der Halsschmerzen oder zur Heilung einer zugrunde liegenden Infektionskrankheit. 

Weit verbreitet ist die Gepflogenheit, die Mundhöhle nach dem Zähneputzen mit klarem Schnaps oder Wodka auszuspülen. Durch den hohen Alkoholgehalt sollen verbliebene Bakterien in den Zahnzwischenräumen abgetötet sowie Zahnfleisch und Zunge gereinigt werden. Vor allem ältere Menschen schwören auf diese Methode, während jüngere lieber zur Mundspülung greifen. Laut neueren Studien kann das Spülen mit Alkohol aber dem Zahnfleisch schaden und zu einem Zahnfleischrückgang führen.

Alkohol als Putzmittel und in der Wundversorgung?

Wo Alkohohl gut zur Desinfektion geeignet ist, ist bei allen Flächen, die man mit einem in Alkohl getränkten Tuch putzen kann. So gibt es tatsächlich Familien, in denen mit hochprozentigem klaren Schnaps gelegentlich die Toiletten und Badezimmerarmaturen gründlich gereinigt oder die Fenster mit einer Schnaps-Wasser-Mischung geputzt werden. In manchen Fällen sind diese Einsatzgebiete seit Generationen in der Familie üblich und werden als eine Art Geheimtipp immer weiter gegeben. Ob die Spirituosen hier tatsächlich eine bessere Wirkung zeigen als richtige Putzmittel oder lediglich eine teure Verschwendung von Genussmittel sind, bleibt wohl ebenfalls ein Familiengeheimnis.

Reinen Alkohol kaufen – zum Besipiel zur Herstellung von Putzmitteln oder Kosmetika

Praktisch ist die desinfizierende Wirkung des Alkohols in manchen Gelegenheiten bei den Händen. Wenn man keine Möglichkeit zum Händewaschen und kein anderes Handdesinfektionsmittel zur Hand hat, kann man sich die Hände mit Wodka oder Gin einreiben und damit vielen Bakterien und Viren den Garaus machen. Wer ältere Menschen fragt, wie ihre Schürfwunden in der Kindheit behandelt wurden, erhält erstaunlich häufig die gleiche Antwort: mit klarem Schnaps.

Viele Hausfrauen und Großmütter waren damals von der desinfizierenden Wirkung des Alkohols überzeugt und behandelten kleine und große Hautverletzungen mit hochprozentigem Korn oder Obstler, um Entzündungen vorzubeugen. Heutzutage hat die moderne Medizin eine breite Vielfalt an Desinfektionsmitteln und Salben zu bieten, die speziell auf die Bedürfnisse verletzter Haut zugeschnitten sind. Trotzdem halten noch immer viele an Omas Hausmitteln fest und geben klaren Schnaps auf offene Wunden, um erste Hilfe zu leisten.

Mythos Verdauungsschnaps: mit dem "Digestif" die Verdauung anregen?

Ein Schweinebraten mit Sahnesoße oder eine Pizza mit besonders viel Käse: Nach einer üppigen Mahlzeit liegen fettige Speisen oft schwer im Magen. Um vermeintlich die Verdauung anzuregen, greifen viele zu einem so genannten "Verdauungsschnaps" oder "Digestif". Schließlich lautet eine alte Volksweisheit, Alkohol rege die Verdauung an. Wenn überhaupt, so wird in der Medizin eine verdauungsfördernde Wirkung eines Kräuterlikörs aber eher den Bitterstoffen der Kräuter als dem Alkohol zugeschrieben.

Manche Forscher sehen auch den Placebo-Effekt am Werk, wenn wohlgesättigte Frauen und Männer nach einem Schnaps im Bauch einen verdauungsfördernden Effekt fühlen. In Wahrheit greift Alkohol die Magenschleimhäute an und erschwert dem ganzen Körper, das viele Essen ordentlich zu verarbeiten. Sodbrennen wird durch Alkohol und die durch ihn ausgelöste Säureproduktion verschlimmert oder geradezu heraufbeschworen.

Kornschnaps Auch ein klarer Schnaps wie Wodka wird häufig nach dem Essen gereicht - zur Verdauung trägt er allerdings nicht positiv bei.

 

Abgesehen vom normalen vermeintlichen "Verdauungsschnaps", gibt es auch allerlei weitere verrückte Ideen mit Alkohol, deren behauptete Wirkung gelinde gesagt umstritten ist. So lässt manch einer Kornschnaps mit frisch geerntetem Bärlauch wochenlang ziehen, um ihn dann als Hausmittel gegen Blähungen einzusetzen. Andere trinken Schnaps mit Meersalz, um Sodbrennen, Bauchschmerzen oder Durchfall zu lindern.

William Lee, ein Schiffsarzt aus England, verbreitete in den 1830er Jahren Meersalz-Schnaps als Heilmittel. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wurde für einen besseren Geschmack stattdessen Kirschwasser mit Meersalz empfohlen. Dabei ist es sicherlich fraglich, inwieweit bei gesalzenem Kirschwasser tatsächlich von einem besseren Geschmack gesprochen werden darf.

Gimlet – der Gin-Cocktail mit der Extraportion Limette Ebenfalls von einem britischen Schiffsarzt erfunden und zur Verabreichung der Zitrusvitamine gedacht: der Cocktail Gimlet.

 

 

Schnaps als Hausmittel: Geheimtipp, Risiko oder Verschwendung?

Obwohl die wissenschaftlichen Belege fehlen oder sogar das Gegenteil nachgewiesen wurde, finden alkoholische Getränke im Haushalt noch immer verschiedene Einsatzgebiete. Ob bei Erkältungen oder Schürfwunden: Viele Männer und Frauen schwören auf Schnaps als Hausmittel und glauben fest an eine gesundheitliche Wirkung. Bei jedem Einsatz von Alkohol sollten aber auch die Risiken beachtet werden, denn übermäßiger Alkoholkonsum kann abhängig machen und der Gesundheit schaden. Außerdem kann es zu Wechselwirkungen kommen, wenn alkoholische Getränke zusammen mit Medikamenten eingenommen werden, und bei Fieber sollte Alkohol auf keinen Fall konsumiert werden.

Kalter, klarer Schnaps soll genossen werden - und nicht als Hausmittelchen verschwendet

 

Und schließlich bleibt auch die Frage offen, ob es sich tatsächlich lohnt, einen edlen Schnaps mit Gewürzen wie Salz und Pfeffer zu vermischen oder zum Gurgeln zu nutzen, wenn er eisgekühlt und pur getrunken doch ein echter Hochgenuss ist. Trennen Sie also das Angenehme vom (vermeintlich) Nützlichen und genießen Sie hochwertige Spirituosen dann, wenn die Zeit zum Genießen ist.