Hochprozentige Spirituosen wie Obstler oder Edelbrände sind aus der heutigen europäischen Trinkkultur nicht mehr wegzudenken: Als geselliges Ritual sind sie ein fester Bestandteil von Feierlichkeiten geworden und auch im Bereich des leiblichen Wohls spielen sie eine nicht unwesentliche Rolle. Vielen ist bekannt, dass bereits im Mittelalter im großen Stile Alkohol hergestellt wurde. Besonders Bier brauende Mönche gelten in diesem Kontext als traditionell zu sehendes Beispiel. Doch wie weit reichen die Wurzeln des Hochprozentigen eigentlich zurück? Seit wann wird Schnaps gebrannt und inwiefern haben sich im Laufe der Jahrhunderte der Stellenwert und die Destilliertechniken entwickelt? Der folgende Beitrag nimmt Sie mit auf eine kompakte Reise durch die Geschichte des Brennens bzw. Destillierens.

Frühe erste Belege für das Verfahren der Destillation

Heute weiß man, dass bereits die Sumerer im 13. Jahrhundert v. Chr. wohl sehr einfache Verdampfungsverfahren nutzen, allerdings um ätherische Öle herzustellen. Auch der bekannte griechische Gelehrte Hippokrates (460 bis 377 v. Chr.) kannte Wein mit seiner berauschenden Wirkung, aber noch kein Verfahren, um den Alkohol zu isolieren. Auch in China zu Zeiten der Tang-Dynastie gibt es Belege, die auf die Verwendung von Destillationsverfahren hinweisen. Die erste gesicherte und belegbare Nennung von Destillation in Bezug auf hochprozentigen Alkohol lieferte Paracelsus im 16. Jahrhundert: Er gewann durch Brennen einen Branntwein, den er für seine Heilverfahren nutzte.

Die Bedeutung und wörtliche Herkunft von Alkohol

Schon seit dem Altertum spielt Hochprozentiges in der Geschichte eine große Rolle, wobei die Medizin vor allem auf die schmerzlindernde Wirkung im Sinne der Betäubung zurückgriff. Die Annahme, Alkohol würde heilen, kann heute nicht mehr aufrechterhalten werden. Zu einem Genussmittel sollte sich Alkohol erst ab dem ausgehenden Mittelalter entwickeln, wobei im 20. und 21. Jahrhundert längst von einem Massenprodukt gesprochen werden kann. Die Buchstaben 'Al' am Wortanfang verraten in sprachwissenschaftlicher Hinsicht, dass das Wort Alkohol aus dem Arabischen stammt.

Durch die fortschrittlichen Kenntnisse der Araber konnte im Mittelalter damit begonnen werden, konzentrierten Alkohol durch die Weiterentwicklung der Destilliertechnik zu gewinnen. Vorher wurden im Grunde nur vergorene alkoholische Getränke hergestellt, man denke hierbei insbesondere an Wein. Der Begriff 'destillieren' beschreibt allerdings schon den eigentlichen Brennvorgang, denn durch Erhitzung entstehen alkoholische Dämpfe, die sich als Destillat nach Abkühlung gewinnen lassen (destillare, lateinisch für 'abtropfen').

Alkohol wurde bereits im Altertum konsumiert und im Mittelalter stetig perfektioniert

Auch wenn viel Forschung in diesem Bereich unternommen wurde, so kann heute nicht mit völliger Sicherheit gesagt werden, wer das Destillationsverfahren erfunden hat, mit dem sich die Essenz von Schnäpsen gewinnen lässt. Es gibt viele historische Belege dafür, dass bereits im Altertum hochprozentiger Schnaps gebrannt wurde, damals allerdings im Vergleich zu heute mit recht primitiven Mitteln. Ägypter, Sumerer, Griechen, Römer und Germanen verstanden es bereits, Wein und Bier herzustellen. In der frühen Phase war es vor allem die rauschende Wirkung des Alkohols, die eine gewisse Faszination ausübte. Es wird vermutet, dass durch Erhitzen von Wein unbewusst eine erste Vorstufe von Schnaps erzeugt wurde. So sollte der Wein haltbarer gemacht werden, durch den mehr oder weniger unbeabsichtigten Brennvorgang jedoch konnte die berauschende Wirkung sogar noch gesteigert werden. Historisch exakt belegen lässt sich dies allerdings nicht.

Im Mittelalter waren es die besagten Mönche, die die Herstellung von Schnaps, Bier und Likör auf eine neue Stufe heben sollten, die den heutigen Standards schon recht nahe kommt. Während Alkohol im Altertum und Mittelalter nur der betuchten Bevölkerung zukam, entwickelte sich Schnaps mit der aufkommenden Industrialisierung im 18. und 19. Jahrhunderts zu einer Art Gesellschaftsdroge in der Arbeiterschicht. Ein Blick in das heutige Sortiment in puncto Schnaps/Spirituosen offenbart sehr schnell, dass die Auswahl schier unendlich ist, sodass für jeden Geschmack ein edler Tropfen bereitsteht. Heutzutage ist Alkohol zu einer bezahlbaren Massenware geworden, die in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist und einen festen Platz in unserer (Trink)kultur hat: Auch wenn sich die Vorlieben bzw. Geschmäcker von Kontinent zu Kontinent unterscheiden mögen, so steht Hochprozentiges aber eigentlich überall hoch im Kurs.

Die Herstellung von Bier ist weniger komplex als das Destillieren

Bier ist in seiner Herstellung wesentlich unkomplizierter: So überrascht es nicht, dass Menschen schon seit Jahrtausenden Bier erfolgreich brauen. Die Kunst des Destillierens allerdings ist rein technisch schon weit diffiziler, was die Menschen im Altertum vor große Probleme stellte. Im frühen Mittelalter wurden Spirituosen schon in geringem Ausmaß gebrannt, allerdings ging es hierbei weniger um den genusstechnischen Konsum: Vielmehr wurde der Schnaps als Medizin oder für kosmetische Produkte und Parfums benutzt.

In Europa, wo heute auf eine tief verwurzelte Brenntradition zurückgeschaut werden kann, sollte es bis zu den Eroberungszügen der Mauren dauern (12. und 13. Jahrhundert auf der iberischen Halbinsel), bis fundiertes Wissen rund um die Destillation nach Europa kommen sollte. Vor allem in geschützten Klosteranlagen wurde das Verfahren praktiziert und im Laufe der Zeit ständig verbessert.

Erste konkrete Anfänge und die stetige Verfeinerung der technischen Abläufe

In der Forschung wird angenommen, dass Weine etwa um das Jahr 1000 herum in großem Stile destilliert wurden, um daraus Branntwein zu gewinnen. Das Gebiet der heutigen Türkei soll dabei eine Art Pionierstellung eingenommen haben. Natürlich waren die Kenntnisse und technischen Möglichkeiten in dieser Frühphase eher primitiv, sodass die Ausbeute in puncto Destillat eher gering ausfiel. Dies sollte sich mit den Alchemisten im Mittelalter ändern, die die Kühlleistung der verwendeten Apparaturen wesentlich verbessern konnten. Übrigens wurden die so gewonnenen Alkoholerzeugnisse als 'aqua ardens' (brennendes Wasser) bezeichnet. Nicht zu Unrecht, denn im Vergleich zu heutigen Qualitätsprodukten war der Wasseranteil im Endprodukt noch recht hoch.

Nach und nach konnte die Alkoholkonzentration im Destillat gesteigert werden, wovon auch die Schrift 'de virtutibus vitae' des Florentiner Arztes Taddeo Alderotti ein schriftliches Zeugnis abgibt: In diesem Werk wird ausführlich beschrieben, dass das Destillat mehrmals erhitzt werden muss. Es wird detailliert dargelegt, wie viel Destillat in jedem Schritt weiterbenutzt werden soll. Hierbei handelt es sich im Grunde über eine erste fachliche Anleitung für das Brennen von Schnaps. Nach 7 Destillationsvorgängen wurde das Produkt als 'perfecta' bezeichnet, nach insgesamt 10 Schritten als 'perfectissima'. Da dieses Verfahren nicht nur langwierig, sondern auch kostspielig war, begnügten sich die meisten Alchemisten mit 4 Destillationsvorgängen.

Viele der so hergestellten hochprozentigen Alkoholika wie das 'gereinigte Feuerwasser' (aqua igenua rectificata) wurden nur für medizinische Zwecke hergestellt. Alkohol genoss damals den Ruf, gegen die Pest hilfreich zu sein, als diese zwischen 1347 und 1350 ausbrach. Hieraus sollte sich schon bald eine nicht zu rechtfertigende Trinksucht entwickeln, gegen die im ausgehenden Mittelalter viele Städte schon Gesetze erließen. Hier zeigt sich, dass sich im Laufe der Jahre die medizinische Wirkung immer mehr dem Konsum öffnete. Letztlich sorgte eine steigende Produktion auch einfach dafür, dass mehr Menschen an hochprozentigen Alkohol gelangen konnten.

Historische Destillationsbücher erlauben einen spannenden Blick zurück

Hieronymus Brunschwig, seines Zeichens Arzt in Straßburg (1450 bis 1513), gilt als Verfasser zahlreicher Destillationsbücher. Das 'große Destillierbuch' aus dem Jahre 1512 beschreibt auf über 600 Seiten die Geheimnisse dieser Traditionskunst. Enthalten sind in diesem Buch u.a. Rezepte für die Gewinnung pflanzlicher Extrakte sowie Abbildungen von Destillationsapparaten. Schon vor über 500 Jahren gab es also recht fundierte Kenntnisse in Bezug auf das Brennen von Alkohol, sodass es nicht verwundert, dass zum Ende des 15. Jahrhunderts immer mehr Länder in Europa die gewerbsmäßige Herstellung forcierten. 1411 wurde in Südfrankreich aus Wein das 'brennende Wasser' gewonnen: Heute noch ist Armagnac ein in Frankreich geschätztes Getränk. Ca. 100 Jahre später wurde damit begonnen, aus vergorenem Apfelsaft Calvados zu gewinnen.

Anfang des 16. Jahrhunderts wurde in der französischen Stadt Cognac der gleichnamige Weinbrand ins Leben gerufen, über dessen heutige Bekanntheit wohl nicht viele Worte verloren werden müssen.Die holländische Alkoholindustrie nahm im Jahre 1575 Fahrt auf, als Lucas Bols am Rande Amsterdams eine mit Torf befeuerte Destillierblase aufstellte, um den Grundstein für den Genever zu legen. Gut 200 Jahre später sollte der Gin in London folgen. Im Laufe der Jahrhunderte bis zu aktuell sehr modernen und technisierten Verfahren gelang beim Brennen eine zusehends präzisere Trennung verschiedener Stoffe mit Hilfe von mehrstufigen Reaktoren. Charakteristisch für heutige Qualitätsstandards in Zeiten großindustrieller Verfahren ist die gezielte Entfernung von so genannten Fuselölen.

Heutige sprachliche Bezeichnungen sagen viel über die bewegte Geschichte von Hochprozentigem

Im Französischen werden Obstbrände auch heute noch 'eau de vie', also Lebenswasser, genannt. Auch das Wort Whisky, das sich aus dem gälischen 'uisge beatha' entwickelt hat, bedeutet nichts anderes als Lebenswasser. Sogar im modernen Sprachgebrauch spielen solche Bezeichnungen auf den medizinischen Bereich ab, in dem Alkohol zu Beginn genutzt wurde, bevor er sich im ausgehenden Mittelalter zu einem Konsumprodukt mit immer größerer Zielgruppe entwickelte. Auf die Klostervergangenheit von hochprozentigen Likören verweisen auch heute noch Bezeichnungen wie Chartreuse oder Benediktiner.

Früchte mit hohem Gehalt: Ein kurzer Blick auf die Geschichte des Obstbrennens

Im Mittelmeerraum stand seit dem späten Mittelalter vorwiegend das Brennen von Wein im Vordergrund, sodass der Grappa dort auf eine lange Tradition zurückblicken kann. Nördlich der Alpen allerdings wurde ein anderer Rohstoff für die Destillation verwendet, der in Überfluss vorhanden war: Obst. Der Ursprung des Brennens von Obst liegt im alemannischen Raum, wo seit jeher Zwetschgen, Kirschen und Steinobst wie Marillen sehr gut gedeihen konnten. Im Rheintal bis hin zu den Ausläufern des Schwarzwaldes kamen die Bauern schnell auf den Gedanken, das vorhandene Obst zu Spirituosen zu verarbeiten, schließlich war die Vergärung ja bereits bekannt.

Auch wenn sich die Technik rasant entwickelt hat und heute sämtliche Vorgänge (wie Drücke und Temperaturen) beim Brennern computergesteuert sind, so ist das Grundprinzip aber eigentlich erhalten geblieben: Die vergorenen Früchte werden in der Brennblase erhitzt und die freigesetzten alkoholischen Dämpfe werden im Kühler aufgefangen. Heute sind die Standards aber so hoch, dass nicht mehr 10 Brennvorgänge gebraucht werden, um ein reines Produkt mit vollem Aroma und wenig Wasser zu erhalten. Heute ist das Obstbrennen übrigens eine sehr wichtige Einnahmequelle für Bauern, denn jedes Jahr werden zig tausend Tonnen von Früchten zu hochprozentigen Erzeugnissen verarbeitet. Große Mengen konnten in der frühen Phase des Destillationsverfahrens schon alleine aus dem Grund nicht hergestellt werden, da der Most gekühlt werden muss, um Schimmelbildung zu vermeiden.